Notgemeinschaft Nordhorn-Range

„Unverantwortlich, dass hier noch geflogen wird“

Beitrag vom 15.07.2009

Notgemeinschaft sieht gute Chancen vor Gericht – Ministerpräsident fordert erneut Schließung

rm/dpa/ddp Nordhorn. Die Bürgerinitiative „Notgemeinschaft Nordhorn Range“ plant nach den Sommerferien Protestaktionen gegen den Bombenabwurfplatz nahe der deutsch-niederländischen Grenze. Möglich seien sowohl Demonstrationen als auch Protestveranstaltungen, teilte die Notgemeinschaft gestern mit. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff hat sich unterdessen in Hannover dafür ausgesprochen, den Übungsbetrieb der Luftwaffe auf der Range zu reduzieren und in einsame Gegenden im Ausland – nach Alaska – zu verlagern.

Der Sprecher der Bürgerinitiative, der Anwalt Detlef Rüger, kündigte am Dienstag in Nordhorn an, die Notgemeinschaft sehe inzwischen gute Chancen für juristische Schritte gegen den Betrieb der Nordhorn-Range. Anrainergemeinden hatten im vergangenen Jahr am Verwaltungsgericht Osnabrück Klage wegen „Nordhorn Range“ eingereicht.

Das Verfahren müsse dieses Mal schneller über die Bühne gehen als bei einer ersten Klage in den 1990er Jahren, forderte Rüger. „Damals hat sich das Verwaltungsgericht acht Jahre Zeit gelassen. Das soll sich nicht wiederholen“, sagte er. Damals sei der Platz von der Nato genutzt worden. Mit einem Verweis auf das Luftverkehrsgesetz hatten die Richter die Klage der Notgemeinschaft abgelehnt. Demnach dürfen militärische Übungsplätze betrieben werden, wenn es aus militärischer Sicht erforderlich ist. Seinerzeit habe die Notgemeinschaft aus Geldgründen den Klageweg nicht fortgesetzt, erläuterte Rüger. „Wir hatten nicht die finanzielle Kraft, ein weiteres Verfahren zu machen.“

Er sehe aber mittlerweile gute Chancen für einen Erfolg. Im Jahr 2000 habe das Bundesveraltungsgericht mit Blick auf Wittstock festgestellt, dass die Bundeswehr den Platz nicht einfach von der Sowjetunion übernehmen durfte, sondern erst ein Planfeststellungsverfahren durchführen müsse, sagte Rüger. Die Situation in Nordhorn sei ähnlich wie in Wittstock: Der Platz sei nach dem Krieg von den Engländern in Betrieb genommen und im Jahr 2000 von der deutschen Luftwaffe übernommen worden. Ein formales Planfeststellungsverfahren oder eine offizielle Umwidmung habe es nie gegeben.

Der Bundesregierung wirft die Notgemeinschaft wegen ihrer Haltung zu dem umstrittenen Luftwaffen-Übungsplatz „Verantwortungslosigkeit in höchstem Maße“ vor. Die Nutzung des Übungsgeländes sei eine schon fast fahrlässige Gefährdung von Leben und Gesundheit der Menschen im Einzugsbereich der Range, sagte der Geschäftsführer der Notgemeinschaft, Wolfgang Egberdt, mit Blick auf das Kernkraftwerk Lingen und Betriebe der Chemieindustrie im Umfeld des Schießplatzes. Es sei „unverantwortlich, dass hier überhaupt noch geflogen wird.“

Die nach dem Aus für das so genannte Bombodrom in Brandenburg entbrannte Diskussion um die Nordhorn-Range bietet aus Sicht Egberdts auch eine Chance: „Selten war die Einmütigkeit für eine Schließung des Übungsplatzes so groß wie gerade jetzt.“ Mit der Schließung des „Bombodroms“ sei die von der Bundesregierung oftmals propagierte „Gerechtigkeit in der Bürgerbelastung“ nicht mehr gegeben. Es sei im Sinne dieser Gerechtigkeit, auch die Nordhorn-Range zu schließen. Egberdt begrüßte es, dass jetzt nicht nur Lokalpolitiker, sondern auch die Verantwortlichen im niedersächsischen Landtag und teilweise auch im Bundestag die Sorgen und Nöte der Range-Anrainer ernst nähmen.

Unerwartete „Schützenhilfe“ erhalten die Range-Gegner zum Beispiel von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff. Der forderte gestern in Hannover erneut die Schließung der Nordhorn-Range. „Das Abwerfen von Bomben muss nicht zwingend in Deutschland geübt werden“, sagte Wulff und widersprach damit seinem Parteifreund, Verteidigungsminister Franz Josef Jung. „Diese Belastung mit Bombenabwürfen ist im dicht besiedelten Deutschland auf Dauer nicht zu verantworten.“ Jung hatte dagegen am Montag in Berlin erklärt, die Bundeswehr müsse, „wenn sie Deutschland verteildigen soll, auch in Deutschland üben können.“

Niedersachsens Ministerpräsident will zunächst eine geringere Belastung der Range erreichen. „Uns ist die Schließung am liebsten, ob das kurzfristig geht, kann man bezweifeln.“ Das mindeste seien aber jetzt verbindliche Zusagen über eine Reduzierung des Flugbetriebs.

In der vergangenen Woche hatte Minister Franz Josef Jung (CDU) angekündigt, auf den Luftwaffenübungsplatz „Bombodrom“ bei Wittstock in Brandenburg zu verzichten. Wittstock sollte eigentlich die „Nordhorn Range“ und einen Übungsplatz in Siegenburg (Bayern) entlasten. Die Notgemeinschaft Nordhorn-Range kämpft seit 1971 für eine Schließung des Übungsplatzes in der Grafschaft Bentheim und gilt als älteste deutsche Bürgerinitiative.