Notgemeinschaft Nordhorn-Range

„Range ohne Wenn und Aber jetzt schließen“

Beitrag vom 26.03.2011

Notgemeinschaft empört: Regierung legt Atommeiler still, aber ums AKW Lingen wird weiter geflogen

Nicht mal 30 Flugsekunden bis zum Atomkraftwerk Lingen. Wenn es für deutsche Atomanlagen „Gefahrenlagen“ gebe, die nun im Rahmen des „Moratoriums“ der Bundesregierung überprüft werden müssten, dann hier: In unmittelbarer Nähe eines Atomkraftwerks üben auf Nordhorn-Range tieffliegende Militärjets, angesichts ungeklärter Absturzgefahren zumindest für die Notgemeinschaft Nordhorn-Range ein unhaltbarer Zustand. Sie fordert angesichts der veränderten Lage vehement „die sofortige und endgültige Schließung der Range“.

Von Rolf Masselink - Nordhorn. Mit Empörung hat die älteste deutsche Bürgerinitiative auf die Tatsache reagiert, dass die Bundesregierung nach dem atomaren GAU in Japan zwar sieben deutsche Atomkraftwerke vorübergehend vom Netz nimmt, den militärischen Tiefflugbetrieb rund um das Atomkraftwerk Lingen aber weiterlaufen lässt.

„Aus Sorge um die Sicherheit werden AKWs abgeschaltet, in Lingen nicht“, heißt es in einer wütenden Presseerklärung der Notgemeinschaft. „Aber hier müsste dann konsequenterweise der Flugbetrieb sofort und endgültig eingestellt werden.“ Nichts dergleichen werde auch nur erwogen. Stattdessen passiere am Himmel über der Grafschaft und dem Emsland „sogar das Unglaubliche“: Es werde „geflogen, was das Zeug hält, denn sie lassen uns immer wieder wissen, dass Tschernobyl, Harrisburg oder Japan in Deutschland nicht passieren kann“. Die Notgemeinschaft ist empört über diesen Übungsbetrieb, der „Unverschämtheit, Gefühllosigkeit und grobschlächtigen Umgang mit den Ängsten der Menschen“ dokumentiere.

Deutsche Kernkraftwerke seien, so die Range-Gegner, nicht gegen einen Flugzeugabsturz gesichert. Ein Absturz auf das Lingener Kraftwerk könne unabsehbare Folgen haben – und sei es nur als Folge einer falsche, in Panik getroffenen Entscheidung eines Technikers in der Schaltzentrale des Lingener Kraftwerks.

„Wir fordern den Bundesverteidigungsminister auf, Nordhorn-Range ohne Wenn und Aber sofort zu schließen“, heißt es in einer Presseerklärung der Bürgerinitiative. Sie kritisiert darin zugleich die jahrelange Hinhaltetaktik der Politik: „Gebetsmühlenartig haben wir immer wieder auf die vielfältigen Gefahrenmomente hingewiesen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schieß- und Bombenabwurfplatzes stehen, insbesondere das Atomkraftwerk in Lingen.“ Politiker aller Parteien, ob Regional-, Landes- oder Bundestagsvertreter hätten sich immer wieder gern vor Ort mit der Notgemeinschaft getroffen, „um medienwirksam vor Wahlen ihre Unterstützung im Kampf gegen den Übungsbetrieb zuzusagen und so auf Stimmenfang zu gehen.“ Doch geschehen sei nichts.

Noch vor nicht einmal einem Jahr hätten zahlreiche Kandidaten vor der Bundestagswahl der Notgemeinschaft ihre volle Unterstützung zugesichert. Doch nah der Wahl habe keiner sein Versprechen eingelöst, der Notgemeinschaft in Berlin Gelegenheit zu verschaffen, in den jeweiligen Parteigremien die Argumente noch einmal vorzutragen und auf die Gefahren hinzuweisen.

Als der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages im November 2010 die Range besuchte, um sich selbst einen Eindruck von den jahrzehntelangen Beschwerden zu verschaffen, löste sein Bericht in Berlin ein politisches Gezänk um die Bewertung aus: Soll der ausschuss „empfehlen“, etwas zu tun, oder soll er nur „zur Kenntnis nehmen“, was er gesehen hat? Selbst in dieser (für das weitere Bewertungsverfahren womöglich bedeutsamen) Formulierungsfrage konnten die politischen Parteien sich einigen.

„Leere Versprechen, Worthülsen zur Beruhigung der Wähler beherrschen viele Volksvertreter wesentlich besser als Zuverlässigkeit“, schimpfen die Range-Gegner. Die bittere Bilanz der Notgemeinschaft: „Sie lügen uns vor, dass sie nun aus Sorge um die Sicherheit der Bürger die Atomenergiefrage drei Monate auf den Prüfstand stellen. In Wahrheit geht es um die anstehenden Landtagswahlen. Bis zu den Bundestagswahlen dauert es noch viele Monate, da können sie auf die Vergesslichkeit der Wähler vertrauen.“