Notgemeinschaft Nordhorn-Range

Frust und Enttäuschung über Range-Urteil

Beitrag vom 20.07.2010

Nach Abweisung der Klage Unverständnis über Begründung – Beschwerde in Lüneburg?

Tiefe Enttäuschung, aber auch Zorn und das Gefühl, mit den Sorgen und Ängsten wieder einmal nicht ernst genommen zu werden, beherrschen die Grafschaft nach dem jüngsten Scheitern der Range-Gegner vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück. Die Richter hatten die Klage von Anrainer-Gemeinden und Landkreisen am Freitag abgewiesen – mit einer aus Sicht vieler Grafschafter völlig unverständlichen Begründung.

Von Rolf Masselink - Nordhorn/Osnabrück. Wer sich in den Tagen nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück zum Schießplatz Nordhorn-Range in Nordhorn umhört, in den lärmgeplagten Stadtteilen Klausheide und Deegfeld oder in Lohne, er bekommt überall dieselbe Antwort: „Das war doch klar, dass die den Schießplatz nicht dicht machen. Die machen doch mit uns sowieso, was sie wollen“. Die Verbitterung über die Abweisung der Klage gegen den Luft-Boden-Schießplatz sitzt tief bei den Menschen. Die Enttäuschung ist auch deshalb so groß, weil die schnöde Abweisung der Klage aus rein formalen Gründen den Menschen erneut das Gefühl gibt, mit ihren Ängsten, Nöten und Beschwerden weiterhin nicht ernst genommen zu werden: Von Politikern aller Couleur fühlen sie sich seit Jahrzehnten mit „Fensterreden“ hingehalten. Und nun hätten, so hört man immer wieder, auch die Osnabrücker Verwaltungsrichter sich offenbar überhaupt nicht inhaltlich mit dem Thema beschäftigt, sondern die Klage aus rein formalen Gründen „abgebügelt“.

„Ich kann nicht beurteilen, ob die Osnabrücker Richter da wirklich Recht gesprochen haben“, sagt auch der Sprecher der Notgemeinschaft Nordhorn-Range, Wolfgang Egberdt. „Aber ich kann nicht verstehen, warum das, was nach meiner Überzeugung bei der Übergabe des Platzes an die Bundeswehr vor neun Jahren Unrecht war, nun kein Unrecht mehr sein soll, nur weil es schon neun Jahre her ist.“ Wie er können viele in der Region die Begründung der Osnabrücker Richter, die im Jahre 2008 eingereichte Klage komme zu spät, nicht nachvollziehen. Zumal da mancher den unausgesprochenen Vorwurf heraushört, die klagenden Städte und Landkreise sowie alle übrigen Range-Gegner hätten seit 2001 jahrelang „geschlafen“.

Vor allem die Notgemeinschaft sei alles andere als passiv gewesen, meint Egberdt. „Wir haben schon damals frühzeitig darauf hingewiesen, dass bei der Übergabe des Platzes von der Royal Airforce an die Bundeswehr juristisch angesetzt werden muss.“ Aber Deutschlands älteste Bürgerinitiative habe selbst keine Möglichkeit zu juristischen Schritten gehabt. Und Landkreise, Städte und Gemeinden hätten lange, vielleicht zu lange auf Zeit gespielt in der Hoffnung, das Thema Nordhorn-Range werde sich durch Inbetriebnahme eines neuen Schießplatzes bei Wittstock von selbst erledigen. Erst als die „Wittstock-Träume“ zerplatzten, seien sie juristisch aktiv geworden.

Der Notgemeinschaft, sagt Egberdt selbstkritisch, sei es nicht „hinreichend gelungen, den Menschen ihre Bedenken gegen den Schießplatzbetrieb und die Gefahren dieses Platzes öffentlich deutlich zu machen“. Das werde sich nun ändern. „Wir werden weiter auf die Gefahren des Range-Betriebes aufmerksam machen, auch wenn die im letzten Wahlkampf vollmundig versprochenen Einladungen aus Berlin bisher nicht bei uns angekommen sind“, so Egberdt.

Die Notgemeinschaft wolle künftig bei öffentlichen Veranstaltungen zumindest mehr Präsenz zeigen. Ihre Ziele seien unverändert: „Uns interessiert weniger der juristische Ansatz als die Gefährdung der Bevölkerung“. Die Gefahren des Range-Betriebes, die bedrohliche Nähe zu atomtechnischen Anlagen, aber auch die Lärmbelastung und Absturzgefahr im Umfeld des Schießplatzes seien nicht durch den formalen Hinweis auf verstrichene Klagefristen wegzudiskutieren.

„Genauso enttäuscht wie alle anderen“ zeigte sich gestern auch Nordhorns Bürgermeister Meinhard Hüsemann. Sobald die schriftliche Begründung des Osnabrücker Urteils vorliegt, werden sich nach seiner Darstellung die Gremien der Stadt ausführlich mit dem weiteren Vorgehen beschäftigen. „Noch enttäuschter“, vielleicht sogar ein wenig wütend ist Hüsemann über die Tatsache, dass das Osnabrücker Gericht nicht nur die Klage abgewiesen, sondern auch alle Hilfsanträge abgeschmettert hat und eine Revision des Urteils vor dem Oberverwaltungsgericht ausschloss.

Das dürfe die Region sich auf keinen Fall gefallen lassen, meint der Bürgermeister. Seiner Ansicht nach soll gemeinsam „mit aller Macht“ versucht werden, mit einer Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg doch noch eine juristische Überprüfung des Osnabrücker Urteils zu erreichen. „Nach 60 Jahren Lärmbelastung jetzt mit formalen Fristen ein Urteil zu begründen, das ist doch zu wenig“, meint der Bürgermeister. Aber er habe schon nach dem Erörterungstermin im Frühjahr „das Gefühl gehabt, dass dieses Gericht so urteilen wird“.

Enttäuscht zeigt sich Nordhorns Bürgermeister aber auch über den ausbleibenden Aufschrei der Bevölkerung nach dem Urteil. Die hat sich, so scheint es, knapp 40 Jahre nach den ersten großen Protesten gegen die „Lärmhölle Nordhorn Range“ weitgehend in den stillen Zorn der Frustrierten zurückgezogen – und pflegt ein tiefes Misstrauen gegen alles, was zum Range-Betrieb öffentlich gesagt wird. „Da haben sie uns großspurig eine verlängerte Sommerpause versprochen und was machen sie? Sie donnern stattdessen vor der Pause umso häufiger und lauter über unsere Köpfe.“ So sei das mit der Range – trotz aller Versprechungen von Politik und Militärs: „Die machen doch hier mit uns sowieso was sie wollen.“

Scharfe Kritik an dem Osnabrücker Urteil haben unterdessen auch Niedersachsens Grüne geübt. Die juristische Entscheidung, zeuge „von nicht nachzuvollziehender Verantwortungslosigkeit den Menschen gegenüber, die jetzt weiterhin mit den Risiken leben müssen“, rügte die Landesvorsitzende Anja Piel. Die Grünen-Chefin nannte den Abwurf ungelenkter Bomben in der Nähe von Wohngebieten „eine Militärtechnik von vorgestern“. Darunter sei in Wittstock ein Schlussstrich gezogen worden. Die Grünen hätten „auch für Niedersachsen eine solche Entscheidung erwartet“. Die Grünen setzen jetzt darauf, dass Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg „hier auch ohne einen Gerichtsbeschluss Einsicht zeigt und die Nordhorn-Range aufgibt.“

Wie die Grünen verweist auch die Partei Die Linke auf die Nähe der Range zum Atomkraftwerk Lingen und die Gefahren durch den Schießplatzbetrieb. Die Linke sieht auch Niedersachsens Landesregierung in der Pflicht: Die Landesregierung müsse, so die parlamentarische Geschäftsführerin Christa Reichwaldt, „ihr Versprechen vom November vergangenen Jahres einlösen und sich bei der Bundesregierung für eine schnelle Schließung der Nordhorn-Range einsetzen.“